13. Die weitere Entwicklung in Hersfeld

Die Absetzung des Presbyteriums war im April 1609 erfolgt. Aber noch im Oktober 1610 richtet Landgraf Moritz an die Einwohner von Hersfeld die Aufforderung, sich besser am heiligen Abendmahl und am Gottesdienst überhaupt zu beteiligen.



Die Hersfelder Stadtkirche

Er moniert, „das der rechte Angestellte Gottesdinst bey unns noch schläfferig fortgehe, ... ." Das war kein Wunder, verließen doch zahlreiche Hersfelder Bürger allsonntäglich ihr „Fürstentum", dessen Grenze in südlicher Richtung damals kurz hinter Sieglos lag, um an den Gottesdiensten z.B. in Odensachsen teilzunehmen, die unter dem Schutz des Fuldaer Abtes nach dem lutherischen Ritus abgehalten wurden.






Die Kirche von Odensachsen
(Foto von Dr. Martin Lipphardt, Hamburg)




Taufschale und -kanne aus Zinn in Odensachsen, ein Geschenk der Hersfelder Lutheraner an die Kirchengemeinde in Odensachsen für deren Aufnahme ihrer Hersfelder Glaubensbrüder
(Foto von Dr. Michael Fleck, Bad Hersfeld)







Umschrift des Kannendeckels: VON DEN HERSFELDER LUTHERANER VEREHRT 1713
(Foto von Dr. Michael Fleck, Bad Hersfeld)



In seiner durch den Schultheißen gegebenen Bekanntmachung vom 2. Oktober klagt er deshalb, „Wie offt und Vielfeltig der Herr Pfarher uff der Canzel sich uber Diese grosse verachtung Des gePredigten Worts undt des heiligen Abentmals Wie auch uber die Jenigen so ausserhalb dieser Pfarkirchen sich mit Anhörung der Predigten Und gebrauchung der heiligen Sacramenten, Von diser Ihm Ahnbefolnen Christlichen gemein Absondern, Zum höchsten beschwert, Und Umb Christi Willen gebeten, daß sie sich solchen Außlauffens Uf Andere Pfarren enthalten, Und bey diser gemein Dahin sie gehörig, gotteswort Anhören, Und des heiligen Abentmalß sich g ebrauchen Woltten, ... ." (2) Er wolle sie hiermit nochmals treulich erinnern, „das sie vonn Ihrem gefasten Wahn Abstehen, sich alhier Zu Gottes Wort finden, Denselben umb Abwendung, Der Vor Unnsern Augen schwebenden grossen Landstrafen, Als Krig Pestilenz Und theure Zeit, mitt Ihrem Innigen gebet Von herzen AhnRuffenn, sein Wort nicht Verachten, sondern Dasselbige heilig haltten, Und der heiligen Sacramenten Zu sterckung Unsers schwachen glaubens undt gewissens, nach des Hern Christi einsezung, gebräuchen. Wan solches geschicht, so wird der Almechtige Gott Die bevorstehende straffe, der Pestilenz, Krig und theurung, widerumb gnedig Von Unß abnehmen, Und nach seiner grossen Barmherzigkeit, Unß Unsers Ungehorsambs nicht entgelten, sondern Uns seinen segen Und was Unß an Leib und sele, Dinstlich reichlich widerfahren Lassen." (3) Man vernehme auch, „ das allenthalben schwere und grosse feuersbrunsten sich erzeugen, Dardurch nit allein einzelne Heuser und scheuren sondn auch ganze städte und Derffer In die Asche gelegt, Dardurch Man weib und Kindere In groß herz Leide Jammern und Not und ins euserst verderben Und an betelstab gewiesen worden, ... ." (4) Damit nun solches nicht geschehe, so solle ein jeder sein Feuer, sein Heu, Stroh, Flachs, Reisig und Holz so verwahren, daß Haus und Hof und alles, was die Liebe Gottes beschert habe, vor solcher Feuergefahr bewahrt würde. (5)
Nach Androhung solcher Gottesstrafen und unter dem behördlichen Zwang stzte sich natürlich die reformierte Lehrauffassung auch in Hersfeld durch. Im Jahre 1694 war man schon so unduldsam gegen die Lutherischen geworden, daß man nur solche Leute in das Hospital * aufnahm, die sich zum reformierten Glauben bekannten. Auch für den Freitisch des Gymnasiums kamen ausschließlich Kinder reformierter Eltern in Betracht. Erst 1785 wurde den Lutherischen in Hersfeld gestattet, eine besondere Abendmahlsfeier von einem Pfarrer ihres Bekenntnisses in der Stadtkirche halten zu lassen. Zu diesem Zweck kam der Pfarrer von Buchenau jährlich einmal nach Hersfeld.

* Das Hospital war für die Aufnahme von Kranken, Armen und Alten 1239 von den Benediktinern gegründet worden und befand sich seit 1344 in städtischem Besitz.

(1+2+3+4) Handschrift des Stadtarchivs Hersfeld, E XXXIV. 1. 1e Bl. 9
(5) Vergl.: Handschrift des Stadtarchivs Hersfeld, E XXXIV. 1. 1e Bl. 9




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