6.Die zweite landgräfliche Kommission und der Streit mit dem Stift

Trotz dieser Vorgänge um die „Bilder und Götzen" in der Stadtkirche beharrten die beiden Prediger, Pfarrer Vitus und Kaplan Abraham Raid, mit unbesiegbarer Festigkeit in ihrem Protest gegen jedwede Neuerung. Am 14. Dezember 1608 erhielten deshalb beide den Befehl, sich der Reform nicht weiter zu entziehen. Andernfalls würden sie auf ihre Stellen verzichten müssen. Aber die Antworten beider lautete, sie wären bereit, wenn es sein müßte, ihren Pfarrämtern zu entsagen. Sofort am 18. Dezember wurden die Hersfel der Kapitularen (in Abwesenheit des postulierten Administrators) aufgefordert, zur anderweitigen Besetzung der Pfarrei und des Diakonats Vorschläge zu machen. Außerdem beschloß Moritz, die Einführung und Sicherstellung der Reform in Hersfeld einer Kommission zu übertragen. Die Kommission, die am 27. Dezember in Hersfeld eintraf, bestand aus den Räten Johann Schwerzel zu Willingshausen, Bernhard von Hövel, Johann Bischof, dem Rat und Hofmeister der Gemahlin des Landgrafen Volprecht Riedesel zu Eisenbach, dem Superintendenten M. Georg Reinmann, dem Landsekretär Eckhard Senger und dem Dekan von Rotenburg Johann Stein. Am folgenden Tag eröffneten sie dem Magistrat der Stadt, daß sie vom Landgraf Moritz ermächtigt seien, die Prediger nochmals zu ermahnen und bei weiteren Widersetzlichkeiten gegen die Reformen die Dienstentlassung der selben auszusprechen. Sie seien weiterhin beauftragt, den Rat und die Bürgerschaft zu befragen, ob sie über das Wesen der Kirchenverbesserungen hinlänglich belehrt und ob sie geneigt seien, sich denselben anzuschließen. Da die Stadtschule zur Pfarrei Hersfeld und nicht zum Stift gehöre, seien sie ferner beauftragt, den Rektor und die übrigen Lehrerzur Anerkennung der Verbesserungspunkte aufzufordern. Würden nun die Prediger und Lehr er ihre früheren Erklärungen wiederholen, so sollten sie den Landgrafen schleunigst davon benachrichtigen und die Hersfelder Räte zur Vornahme neuer Präsentationen nochmals auffordern. Aber was die eigentliche Berufung (Vocation) und Konfirmation der Prediger betreffe, welche nur dem Landgrafen vermöge seines ius episcopale zukomme, so sollten sie jeden Anspruch des Stiftes mit Entschiedenheit zurückweisen. Allein noch ehe die Kommission in Hersfeld eigetroffen war, hatte der Kanzler des Stiftes dem Landgrafen mitgeteilt, daß das Stift kraft der ihm zustehenden bischöflichen Gerechtsame die Pfarrei dem M. Joh. Stöckenius zu Grebenstein und das Diakonat dem Pfarrer J. Junius zu Gensungen übertragen wolle. Die erste Aufgabe, die der Kommission in Hersfeld zufiel , war deshalb die Klärung der Frage, in welchem Umfang dem Stift das Collaturrecht zustehe. Der Rat Hövel machte daher die Kapitularen des Stiftes darauf aufmerksam, daß Moritz sein ius episcopale niemals durch irgendeinen von dem Stift erhobenen Anspruch beeinträchtigen lassen werde. Der Superintendent Reinmann erinnerte zur Unterstützung dieser Ansicht daran, daß auch der Pfarrer Veit (Vitus) von ihm im alleinigen Auftrag des Landgrafen ordiniert und confirmiert worden sei. Hövel fuhr dann fort, daß es der Landgraf durchaus nicht begreifen könne, daß die Räte in ihrem Schreiben vom 25. Dezember von einem Mitrechte an der Vocation und Konfirmation der Prädikanten reden könnten, wo sie doch nur einige taugliche Männer zur definitiven Ernennung vorzuschlagen hätten. Er müsse daher annehmen, daß dieses Schreiben ohne mitwissen der übrigen Räte des Stiftes nur von dem Kanzler Lersner aufgesetzt sei. Der Kanzler erwiderte jedoch, es schmerze ihn sehr, daß Moritz diesen Argwohn hege, da er es mit allen Stiftsangehörigen vor Gott beteuern könne, daß dieses Schreiben mit vollkommenster Zustimmung aller Mitglieder des Kapitels aufgesetzt sei. Damit sich aber die Herren Kommissare überzeugen könnten, daß die vom Stifte ausgesprochene Ansichtüber die Vokation srechte auf die beiden Predigerstellen gerechtfertigt sei, erlaube er sich, eine Reihe in dem Stiftsarchiv aufbewahrter Akten vorzulegen, aus denen hervorgehe, daß das Stift Hersfeld allein im Besitz des Vocationsrechtes sei und das Konfirmations recht dem Stift in gleicher Weise zustehe wie dem Landgrafen. Lersner legte die Akten vor und meinte, daß sich auch die Kommissare sehr bald davon überzeugen würden, da die Akten kein anderes als das vom Stift behauptete Rechtsverhältnis begründen könnten. Wenn er übrigens die wohlerworbenen Ansprüche des Stiftes so ausführlich begründete, so sei dies nicht deshalb geschehen, um die Kirchenverbesserungen zu verhindern, sondern vielmehr um die Gerechtsame des postulierten Administrators zu schützen. Würde aber Landgraf Moritz trotzdem die in den Akten bekundeten Tatsachen ignorieren, so müsse das Stift dies auf sich beruhen lassen. Man müsse sich damit trösten, vor dem postulierten Administator und dessen Nachfolger ein reines Gewissen zu haben.




vorheriges Kapitel

Hauptseite

nächstes Kapitel