4. Die Rolle der Kaufleute

Zwei soziale Gruppen haben also die Städte am meisten geprägt: Kaufleute, die schon erwähnte städtische Oberschicht, und die Handwerker. Die Kaufleute, die ursprünglich als "Reisende" lebten, machten sich sesshaft, wenn eine städtische Ansiedlung wuchs und der Handel mit Waren, die von weither kamen, lohnte. Wo sich Kaufleute niederließen, wuchs der örtliche Markt, denn sie konnten auch fremdartige, teure Waren anbieten. Das füllte die Kassen der Stadtherren, denn sie kassierten Gebühren und Zölle. Das gilt auch für den Hersfelder Abt, der von den Kaufleuten am Tage des hlg. Lullus und am Palmsonntag jeweils sechs Pfund Pfennige erhielt, wie es von alters her Recht und Gewohnheit gewesen sei. So heißt es in einer Urkunde aus dem Jahre 1321. In den Anfängen der städtischen Entwicklung stand an der Spitze Hersfelds ein vom Abt bestelltes Kollegium von zwölf Schöffen, das unter dem Vorsitz eines Schultheißen als Vertreters des Abtes die Gerichtsbarkeit ausübte, sich aber auch im Laufe der Zeit immer mehr mit der Leitung der städtischen Angelegenheiten befasste. Ihr Amt war den Schöffen auf Lebenszeit übertragen. Es wurde üblich, dass sie sich bei Todesfällen selbst ergänzten, wie in einer Urkunde aus dem Jahre 1321, mit der ein Stadtratsgedenkbuch beginnt, zu lesen ist. „............ Ebenso haben wir ungestört erreicht, dass zwölf Schöffen zu Hersfeld (sind), die das Schöffenamt besitzen. Wenn zu ihren Lebzeiten oder auch, wenn einer der Schöffen oder mehrere wegen Todes ausfallen, (so sollen) die anderen die Macht haben, andere an ihrer statt zu wählen, wenn sie denken, dass sie dazu geeignet sind...........“ („......... Item haben wir auch herebracht in geruwelicher were zwelf Schepphen zu Hersfelde dy den scheppfinstul besitzen zu iren lebetagen , were ouch daz der Schepphen eyner adir me von todis wegen ab fillen so han dy andern ganze macht andere an ire stad zu kysen wenn sy dünket dy dazu gut sint, ..........) Das führte dazu, dass sich allmählich eine auf wenige Familien beschränkte regierende Kraft herausbildete. Die zu Ansehen und Wohlstand gelangten Kaufleute konnte man auf die Dauer von diesem Kollegium nicht ausschließen. So werden in einer Urkunde aus dem Jahre 1321 die Stadträte Johannes Frise und Henrich Silber genannt. Seit 1355 gab es vier Stadträte, die nun nicht mehr von dem Schöffenkollegium, sondern von der Bürgerschaft alljährlich gewählt wurden. Die abgehenden Räte verschwanden nicht ganz. Sie bildeten den „alten Rat“, der von dem „neuen Rat“ in wichtigen Fällen zur Beratung zugezogen wurde. So geschah es etwa im Vergleich zwischen den Gewandschneidern, wie in Hersfeld die Kaufleute genannt wurden, und den Wollwebern aus dem Jahre 1373, über den noch zu sprechen sein wird. So nebenbei erfahren wir von Bürgermeistern, wahrscheinlich sind es zwei. Sie werden in einer Urkunde aus dem Jahre 1355 erwähnt, in welcher der Verkauf eines dem Stift gehörenden Gutes in Tann an die Stadt Hersfeld besiegelt wird. In allen diesen Ämtern spielten die Kaufleute vermöge ihres Reichtums und Ansehens eine ausschlaggebende Rolle. Ihre Abgaben für die Ausübung des Gewandschnittes, d.h. für das Recht, Tuche stückweise zu verkaufen, waren hoch und füllten die Kasse des Abtes, wie schon weiter oben gesagt wurde.




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